Virtual Reality

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Mizukichan
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Virtual Reality

Post by Mizukichan »

Virtual Reality (VR) ist ein wunderbares neues Medium (und Spielzeug), was vom Erlebnis her mit kaum irgendetwas anderem zu vergleichen ist. Ich würde auch vermuten, dass es irgendwann mal in den Medien das nächste Ding werden könnte, welches "die Jugend verdirbt". Persönlich würde ich jedem empfehlen, VR einmal selbst mit einem vernünftigen Gerät auszuprobieren, sei es bei Freunden, Bekannten oder in einer von diesen VR-Arcade-Bar-Dingern, die so langsam öffnen. Es besteht die Gefahr, dass einem übel werden kann, wobei das auch sehr von den genutzten Programmen abhängt. Grundsätzlich habe ich von Erstbenutzern in der Regel eine sehr positive Rückmeldung bekommen. Nur einer Person wurde sofort übel. Aber selbst da war die Rückmeldung "War ein Versuch wert."

IMHO muss man sich VR ein wenig so vorstellen, als würde meine eine dicke, das Sehfeld etwas einschränkende und recht schwere Skibrille tragen, über die jemand ein grobes Fliegengitter gespannt hat. Das ganze trägt man dann, während man in der Mitte von einem StarTrek Holodeck steht oder sitzt. Ab hier kann man sich dann alles anzeigen lassen, was man will (bzw. was mal jemand programmiert hat). Im Gegensatz zum fiktiven Holodeck gibt es die Einschränkung, dass man die Umgebung nicht berühren kann. Aber es kommt der Vorstellung eines sehr nahe. In dem Moment, wo man eine VR-Brille und ein paar Kopfhörer aufsetzt, ist die 'reale' Welt komplett ausgeblendet.

Das Fliegengitter (Screen door effect) ist momentan durch die existierenden Displays bedingt. Wer mal ganz nah mit den Augen vor den eigenen Monitor geht (und keinen 4k Monitor hat), wird relativ problemlos die einzelnen Pixel sehen können, aus dem sich das Monitorbild aufbaut. VR-Brille nutzen in der Regel Displaytechnik aus dem Smartphonebereich, wo man mit dem Auge meist nicht mehr die Bildpunkte sehen kann. Aber die Linsen im VR-Brille zeigen das kleine Display mit einer Vergrößerung der Diagonale auf mehrere Meter an, womit auch die Bildpunkte und Lücken entsprechend vergrößert werden.

Einer der beeindruckensten Dinge in VR ist IMHO die korrekte Wiedergabe von Größenordnungen, die in dem Maße bislang kein Medium leisten kann. Selbst einfache Dinge, wie GoogleEarth öffnen, sich seine Heimat raussuchen und von da rauszommen, bis man im Weltraum vor dem eigenen Planeten schwebt, sorgen für völlig neue Eindrücke. Worte bringen das nur sehr schwer rüber, daher hier noch einmal den Aufruf: Wer eine Möglichkeit angeboten bekommt, irgendwo mal ein VR-Brille zu nutzen, sollte das Angebot annehmen.

Die technischen Anforderungen an VR sind sehr hoch. Die Herausforderung liegt darin, in möglichst kurzer Zeit die Kopfbewegungen zu erkennen, den Bildausschnitt in der aktuellen Anwendung anzupassen, zwei Bilder neu berechnen (je eines pro Auge) und das ganze möglichst schnell anzuzeigen. Als Nebeneffekt gibt es auch noch einwandfreies 3D. Selbst kleinste Verzögerungen zwischen Kopfbewegung und der Anpassung des Bildes in der VR-Brille führen schnell zu Übelkeit. 75fps gilt als Minimum - meine HTC Vive verlangt 90fps.

In den 2-3 Jahren, in denen die Technik nun dem Heimanwender in einer brauchbaren Version zur Verfügung steht, haben sich verschiedene Geräte auf dem Markt etabliert, die sich im Funktionsumfang und in der Qualität stark unterscheiden. Ich würde mal versuchen wollen, hier eine Kurzübersicht von den besseren Geräten zu geben. Ich habe selber eine Samsung Gear VR und eine HTC Vive. Der Rest basiert auf Hörensagen von Quellen, denen ich grundsätzlich trauen würde.


Samsung Gear VR und Google Daydream
Für ca. 100€ bekommt man von Samsung oder Google eine VR-Halterung, die jeweils eines von bestimmten highend Smartphones zum funktionieren benötigen. Beide Brillen können Drehbewegungen des Kopfes erkennen (rechts, links umschauen, hoch und runterschauen), aber keine Bewegungen im Raum (ducken, vor und zurücklehnen, usw. fallen aus).

Der größte Vorteil der beiden Geräte ist deren Unabhängigkeit. Smartphone reinstecken, Brille aufsetzen, optional Kopfhörer (was ich unbedingt empfehlen würde) und los. Die Brillen können überall mitgenommen werden und benötigen keine weiteren Kabel. Im Idealfall sitzt man bei der Benutzung in einem Drehstuhl, den man vorher so in den Raum gestellt hat, so dass man sich ohne Probleme im Kreis drehen kann. Die Bildqualität ist vergleichbar mit größeren Geräten für PlayStation und PC. Die Eindrücke aus der Gear VR hatten damals für mich gelangt, um die Kaufentscheidung für die HTC Vive zu treffen.

Nachteile der Geräte ist die begrenzte Leistung. 360° Filme können ohne Probleme angeschaut werden, aber alle interaktiven Dinge (z.B. Spiele) sind grafisch eingeschränkt. VR auf dem Smartphone zieht außerdem sehr viel Strom aus dem Akku, was die Nutzungszeit einschränkt. Bei meinem Samsung Galaxy S6 hatte ich ferner das Problem, dass es in der Gear VR in wärmeren Zimmer auch heiß gelaufen ist und ich dann nur noch eine entsprechende "Das Gerät muss sich abkühlen"-Warnung in der Brille bekommen habe. Ein langsam drehender Ventilator kann abhilfe schaffen.

Sollte man bereits ein Smartphone besitzen, welches in den Kompatibilitätslisten von einer der VR Brillen gelistet ist, bekommt man aber für ca. 100€ einen guten Einstieg in die Welt der VR. Das Gear VR würde ich jederzeit wieder kaufen, trotz der Einschränkungen. Ich würde diese Brillen aber wirklich nur als Erweiterung der Smartphones sehen. Es lohnt sich IMHO nicht, extra eines der teuren Smartphones zu kaufen nur um VR zu erleben. Da könnte eher die Oculus Go interessant sein, welche demnächst auf den Markt kommen soll, in etwa das gleiche bietet wie ein Smartphone mit VR-Halterung und um die 200€ kosten soll.


Die folgenden Geräte sind in dem Aufbau deutlich stationärer, haben eine umfangreiche Verkabelung, können aber deutlich länger genutzt werden und haben (potenziell) bessere Hardware für die Grafikausgabe zur Verfügung.

PlayStation VR
Für ca. 300€ bekommt man Bundles bestehend aus VR-Brille, PlayStation Kamera und einem Spiel für die Verwendung an einer PlayStation 4 oder PlayStation 4 Pro. Es gibt die PlayStation VR-Brille auch einzeln, aber die Kamera ist zur Nutzung zwingend notwendig. Optional können neben dem normalen PS4 Gamepad auch die PlayStation Move Controller verwendet werden (Softwareabhängig, für viele Anwendungen erforderlich), welche weitere 75€ kosten.

Für den Preis bekommt man eine VR-Brille, die auch ein Tracking im Raum bietet. Der Erkennungsbereich liegt bei ca. 2m x 2m. Die Brille selber kann in allen Lagen genutzt werden, die verschiedenen Controller sind aber auf eine Sichtverbindung zur Kamera angewiesen, so dass die Nutzung auf den 180° Bereich zur Kamera hin eingeschränkt ist.

Ein Arbeitskollege von mir hat die Brille und ist mit dieser sehr zufrieden. Die Technik läuft gut, und es gibt ein reichhaltiges Angebot an Anwendungen und Spielen, die wohl alle sehr gut laufen. Vieles davon hat Democharakter, aber wohl alles mit hohem Aufwand produziert.


Oculus Rift
Für ca. 450€ bekommt man ein Bundle mit VR-Brille, zwei Sensorkameras, zwei Touchcontrollern und mehreren Spielen zur Nutzung am PC. Die Rift unterstützt neben der Rift API auch SteamVR. Mit dem Basispaket hat man den gleichen Freiraum wie die PS VR. Mitlerweile kann optional eine dritte Sensorkamera im Raum aufgebaut werden, um eine 360° Erfassung zu ermöglichen. Der max. Spielbereich liegt bei ca. 2,5m x 2,5m.

Oculus hatte 2012 mit einer Kickstarterkampagne für eine Entwicklerversion der VR-Brille die aktuelle VR-Welle mehr oder weniger gestartet. Die nun erhältliche Consumerversion ist afaik auch das empfehlenswerte Gerät, wenn man VR primär im Sitzen vor dem PC nutzen will. Soweit mir bekannt ist die Verarbeitung und der Tragekomfort gut. Die Kopfhalterung hat Kopfhörer integriert.

HTC Vive
Für ca. 600€ bekommt man ein Bundle mit VR-Brille, zwei Lighthouses, zwei Handcontroller und ein paar Spielen zur Nutzung am PC. Die Vive von HTC, entwickelt zusammen mit Valve, ist momentan mit Abstand die teuerste Lösung auf dem Markt. Zum Releasezeitpunkt war es das einzige System, welches eine 360° Erfassung im Raum bot, was für mich damals die Kaufentscheidung war. Die Erfassung erfolgt über die beiden Lighthouses, welche gegenüber von einander in ca. 2m Höhe befestigt werden müssen. Die Lighthouses benötigen nur Strom und keine Verbindung zum PC. Der max. Spielbereich liegt bei ca. 4,5m x 4,5m.

Die HTC Vive unterstützt SteamVR. Mittels der Zusatzsoftware Revive können auch Anwendungen genutzt werden, welche nur die Oculus API unterstützen.

Das Trackingsystem der Vive ist afaik immer noch das genaueste auf dem Markt. Ich kann mich noch sehr gut an die Inbetriebnahme erinnern. Nachdem man mit dem Handcontroller einmal die Raumgrenzen abgelaufen ist, setzt man zum ersten Mal die Brille auf. Man sieht dann eine 3D-Darstellung des echten Controllers. Und ich streckte meine Hand, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sehen konnte, zu dieser gerenderten 3D-Darstellung aus. Und ich hatte den Controller in der Hand. Das klingt in Worte gefasst irgendwie simpel, aber es war ein "Holy Shit!" Moment.

Der Tragekomfort der VR-Brille ist schlechter als der von der Oculus Rift. Ein Umstand, der mich zwischendurch zum Kauf des 120€ teuren "Vive Deluxe Audio Strap" gebracht hat.

HTC Vive Pro
Für 880€ bekommt man... eine VR-Brille. Es fehlen Controller und es fehlen die Lighthouses. Die Vive Pro ist neu auf dem Markt und wird gegenwärtig nur als Upgrade für bestehende Vive Nutzer vermarktet. Der Preis ist IMHO gegenwärtig viel zu hoch. Das Headset bietet gegenwärtig die beste Auflösung (neben der in EU nicht erhältlichen Samsung Odyssey).

Windows Mixed Reality
"Windows Mixed Reality" (WMR) ist ein Marketingbegriff von Microsoft, mit dem Microsoft versucht, sich irgendwie von den anderen VR-Geräten abzuheben. "Mixed Reality" Brillen sind VR-Brillen. Microsoft selber baut und verkauft keine Brillen, lizensiert aber die Technik an diverse Hersteller, die im wesentlichen nun alle das gleiche Gerät in verschiedenen Gehäusen mit unterschiedlicher Verarbeitungsqualität bauen. Die Preise beginnen bei ca. 450€. Die einzige WMR-Brille, welches sich von den anderen WMR-Brillen abhebt, ist die Samsung Odyssey, welche eine höherer Displayauflösung bietet. Dieses Modell ist aber in Europa nicht erhältlich.

Auch die WMR bietet eine Bewegungserkennung im Raum. Im Unterschied zu den anderen VR-Brillen kommen die WMR-Brillen ohne externe Sensoren aus. Stattdessen hat die VR-Brille zwei Kameras integriert, über welche die Bewegungserkennung durchgeführt wird. Die Kameras sind auch für die Bewegungserkennung Hand-Controller zuständig, weswegen diese nicht beliebig außerhalb des Sichtfelds genutzt werden können.

Die WMR-Brillen setzen zwingend ein aktuelles Windows 10 voraus. Treiber und Hauptmenü sind mit im Betriebssystem integriert, so dass die Installation von WMR-Brillen schneller und einfacher von statten geht als der anderen PC-Brillen. Es bringt eine eigene WMR-API mit und unterstützt auch SteamVR, wobei die SteamVR-Unterstützung zum Teil noch etwas buggy sein soll.

Die verbauten Displays in den WMR-Brillen haben eine leicht höhere Auflösung als die Oculus Rift oder HTC Vive. Der Unterschied ist aber wohl kaum erkennbar und das Sichtfeld ist etwas kleiner als das von der Konkurrenz.
Last edited by Mizukichan on Wed Apr 11, 2018 12:21 pm, edited 3 times in total.
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Re: Virtual Reality

Post by Mizukichan »

Maris wrote: Thu Mar 22, 2018 1:16 pm Kann man bei den VR-Brillen nicht die Schärfe einstellen? Das hat doch inzwischen jeder Sucher einer Digitalkamera.
Nope, kein Dioptrienausgleich vorhanden. Meine Vive hat einen Regler für die Pupillendistanz. Ich glaube, dass die Rift etwas ähnliches hat. Aber man muss Brille oder Kontaktlinsen nutzen, wenn man nicht 'normalsichtig' ist.

Meine Gear VR wiederum hat einen Dioptrienausgleich, aber keine Einstellung für die Pupillendistanz.
Cov wrote: Thu Mar 22, 2018 9:55 am Zu dem VR Kram: ich habe mit im Herbst eine Occulus zugelegt, mit dem Plan genauso toll am Lenkrad zu drehen wie Mizu. Aktuell benutze ich sie leider zu wenig, weil ich auch zu wenig am Lenkrad drehe. Aber 2-3h am Stück waren für mich auch kein Problem, obwohl mir auf kurvigen Strassen im Auto hinten sitzend doch mal übel wird. Für mich funktioniert VR immer dann gut, wenn ich feste Bezugspunkte habe. D.h. die Spiele zum herumstehen und fuchteln sind nicht meins, hat man aber ein Cockpit (egal ob im Auto oder im Raumschiff) und kann ich sitzen, ist alles bestens.

Es gibt einen Punkt, der mich an der Occulus derzeit stört. Ich bin Brillenträger, die Brille passt gerade so drunter, aber ich habe an den Rändern Farbverschiebungen. Ohne Brille sind die Weg, aber da seh ich nix mehr scharf. Ich vermute nach einigem Rumlesen, dass es wohl an der Entspiegelung meine Brille liegt. Ich werde bei der nächsten neuen Brille vermutlich statt der Extra-Sonnenbrille den Optiker zu einer simplen normalen Brille (mit kleinem Gestell) überreden.

Das VR-Fahrgefühl bei Projectcars2 ist jedenfalls toll. Allerdings auch anstregend, was weniger an dem Tragekomfort liegt, sondern eher wie 'intensiv' man drin ist. Ist für mich nix um Abend mal ein Stündchen zu entspannen.
Bzgl. der Brillenträgerproblematik: Es gibt auch Linseneinsätze, welche über die bestehenden Linsen in der VR-Brille eingesetzt werden können. Damit kann auf die Brille verzichtet werden.

Ich habe mir für meine Vive letztes Jahr welche bei VR-Lens bestellt. Dahinter steckt ein Augenoptiker mit Sitz in Deutschland. Soweit ich es erkennen konnte, handelt es sich bei den Linsen um normale Brillengläser, welche passend für die VR-Brillenhalterung geschliffen wurden. Die Halterungen scheinen aus einem 3D-Drucker zu kommen.

Die Linsen sind bei mir in der Vive mittels Presspassung eingebaut. Es waren keine Änderungen an der VR-Brille selber notwendig und ich kann die Linsen auch schnell wieder rausnehmen, falls mal jemand anderes die VR-Brille nutzen will.
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Re: Virtual Reality

Post by Cov »

Ah, guter Hinweis mit den Linsen direkt für die VR Brille. Muss ich mir mal anschauen.

Ich kann das "Holy Shit"-Gefühl von Mizu nur unterstreichen. Das erste mal mit der Rift und den Handcontrollern war beeindruckend wie "genau" die eigene Hand abgebildet wird und wie gut das Tracking funktioniert.

Ich glaube aber nicht, dass es das "next big thing" wird, sondern sehe es eher wie ein Lenkrad, ein Flightstick oder eine Tanzmatte :o) als Zusatzequipment für eine bestimmte Nutzergruppe. Das sind die Rennsimulationen, Flugsimulationen und Weltraumdinge (Elite, Star Citizen). Auch wenn mit Fallout und Skyrim es zwei große Spiele für die VR Brillen gibt, sehe ich mich nicht in einem von diesem Welten mit der Brille rumlaufen. Viel mehr als 2 Schritte in jede Richtung geht beim Stehen ja nicht sinnvoll, wenn man keinen extra Raum hat. Sitzen und sich wie in einem Shooter bewegen, ist schräg.

Zudem ist das Erlebnis eben wirklich sehr intensiv, aber ich setze auch nur selten Kopfhörer auf. Und für die League of Legends, Hearthstone und Civilization Spieler gibt es auch keinen Grund über VR nachzudenken.
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Re: Virtual Reality

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Re: Virtual Reality

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Ich lese viele positive Rückmeldungen zu dem Ding... und bin mittlerweile am Überlegen mir doch eine zu bestellen... Ich glaube ich habe ein Problem.
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