Ich bin vor einigen Monaten über rockpapershotgun gestolpert und mag die Seite mittlerweile sehr gerne. Ein paar Leute die flott schreiben können und ihre eigene Sicht auf viele Spiele haben. Nicht alles teile ich, aber doch immer wieder gut argumentiert. Daher habe ich mir auch den Kommentar zu Pillars 2 angesehen:
https://www.rockpapershotgun.com/2018/0 ... -progress/
Neben diversen Jubelarien anderer Reviewer gibt das einen guten Blick warum Pillars 2 doch so seine Macken hat.
Pillars 1
Daraufhin habe ich letzte Woche Pillars 2 nach ~1h weggelegt und mich daran erinnert, dass ich die 1 noch nie durchgespielt habe. In meiner Erinnerung haben mich die ausufernden Nebenquests damals von der Hauptstory abgelenkt und deswegen hatte ich keine Motivation das weiterzuspielen. Das soll angeblich in 2 "schlimmer" sein. Zudem kann man seine Entscheidungen aus 1 importieren und es gibt wohl einige Anknüpfpunkte an die 1, was Story und Personen angeht.
Also zurück zu Pillars 1, neu angefangen und dank ein paar Tagen Überstundenabbau war ich nachpaar Tagen und 30h im Spiel mit der Hauptstory auch durch. Das Ende kam unerwartet schnell, und da gibt es gefühlt nochmal 30h mehr zu tun, die ich in 1 noch gar nicht gemacht habe (die beiden dlc expansions, den langen Dungeon, zig Seitenquests). Aber die Hauptstory fand ich diesmal sogar ziemlich gut erzählt. Bis zum Endkampf musste ich nur 3-4 mal neu laden, weil ich in Gegnergruppen gelaufen bin, die deutlich zu stark waren. Das Mikromanagement der Kämpfe in Pillars 1 ist etwas nervig, aber wenn man sich dran gewöhnt hat, wer alles Quatsch macht, kann man da mit ein paar Routine Aufgaben am Kampfanfang gut entgegenwirken. Auf der normalen Schwierigkeit durfte die Party auch genug Unfug machen und mit ein paar Knockouts ging es ganz flüssig. Nur der Endbosskampf fand ich eine unangenehme Stufe härter als die Kämpfe vorher. Den musste ich dann auch 4-5 mal neu laden. Das hasse ich sehr. Aber gut, soll ein Endbosskampf sein, mit Partylevel 11 oder 12 war ich vermutlich zu früh dort.
Für die Story und die Ausgestaltung der Welt kriegt Pillars 1 von mir ein Bienchen. Mit dem Kampfsystem bin ich nicht so ganz warm geworden. Ist mir zu viel los gleichzeitig, die Chars verhalten sich gerne ziemlich blöd und das System mit Fähigkeiten die noch ‘per encounter’ sondern ‘per rest’ sind kann ich mich auch nicht anfreunden. Entweder man benutzt das volle Potential der Chars, dann sitzt man nach jedem Kampf am Lagerfeuer, oder es wird so bisschen durch die Kämpfe gestümpert, und alle 5-6 Kämpfe steht ein Lagerfeuer an, weil die Ausdauer niedrig ist, dafür sind aber noch alle Sprüche da … da funktioniert ein pen&paper-System als Computerspiel einfach nicht.
Pillars 2
So nun hab ich ein savegame, habe die Hauptstory noch vor Augen - auf gehts in Teil 2. Da haben sich jetzt auch schon ~12h angesammelt. Der Einstieg klappt ganz gut, auch wenn es etwas schräg ist, dass man einen neuen Körper kriegt, die alten Bekannten einen aber sofort wiedererkennen. Der Import bezieht sich nur auf Entscheidungen aus dem ersten Teil, nicht auf den Char. Auch die alten Bekannten fangen wieder mit Level 1 an. Diese Art von Computerspiel-Logik kann ich gut verkraften. Bisher macht die Welt auch Spass, Südsee-Flair mit Handelsgesellschaften, Piraten und Einheimischen. Diesmal ist (im englischen Client) auch alles gesprochene von soliden Voice-actors wiedergegeben. Zur Hauptstory kann ich noch nicht viel sagen. Viel mehr Informationen als aus der Eingangssequenz habe ich noch nicht bekommen. (leichte Spoiler) Ein Gott ist als Riesenstatue aufgestanden marschiert in der Welt herum und macht dabei vieles kaputt, und hat mir gesagt, dass ich mir keine Gedanken machen soll, denn alles wird gut. Aha. Und die anderen Götter finden das nicht so knorke. Aha.
Das ist eins der Probleme die ich mit ausufernden Nebenquests habe: eigentlich sollte die Story so spannend sein, dass Nebenquests allerhöchsten am Wegesrand liegen. Hier ist aber klar, dass gerade etwas spannendes ‘woanders’ passiert, ich aber erstmal konkurrierende Interessensgruppen (Händler, Schmuggler, Einheimische, Regierung) jongliere. Nach den erwähnten ersten 12h habe ich bislang eine einzige Schiffstour unternommen, also eine Spielmechanik noch überhaupt nicht wirklich benutzt. Man darf jetzt Schiffe ausrüsten, muss sich um Proviant kümmern, und dann dann die Südsee erkunden .. wenn man dazu kommt und man nicht eigentlich gerade die Welt vor einem ausgebrochenen Gott schützen müsste. Noch kein Seegefeht, noch nichts erkundet. Sondern in der ersten größeren Stadt herumgelaufen und zig Seitenquests gemacht. Die waren zum Grossteil gut gemacht, haben aber nix mit meiner eigentlichen Mission zu tun. Wenn ich jetzt noch Anfange erstmal die Kopfgelder und Erkundenmissionen abzuarbeiten, kann der trampelnden Gott es erstmal ruhig angehen lassen, bevor ich dann Zeit habe ihn vom Welt-vernichten abzuhalten.
An der Stelle hat mir Tyranny deutlich besser gefallen. Dort ist die Hauptstory der Konflikt von verschiedenen Parteien und Interessengruppen und selbst die Nebenquests sind im Kontext dieser Reibungen. Von den bisher gespielten Sachen fühlen sich in Pillars 2 nur wenige Sachen wirklich mit der Hauptquest verbunden an, und damit leider auch nicht passend zur Motivation meiner Hauptfigur. Die erwähnt zwar hin und wieder, dass sie eigentlich nur den Gott stoppen will, aber dann wird sie doch dazu gedrängt mit den Händlern oder den Schmugglern zusammenzuarbeiten, denn “Schiff betreiben kostet Geld und wir können dir helfen”. Dafür gibt es dann grosszügige 200 Münzen. Der nächste Kampf gegen eine Zufallsbegegnung mit ein paar Räubern liefert dafür dann Beute für 500 Münzen … eigentlich viel lukrativer.
Daher oben auch der Link zum dem Artikel:
“It all appears to be a look at colonialism, at the spread of various trading companies around the 17th century, along with the piracy and seafare that accompanied this. As such, you can start to align yourself with one company over another, become a menace to the lot of them, or just try to keep out of it entirely.” und später “Yet the Eothas story feels so, so far in the background for so much of the game.”. Jetzt bin ich noch am Anfang, aber bislang habe ich genau den Eindruck.
Das macht es alles nicht zum schlechten Spiel. Ich glaube ich muss einfach anders darauf schauen. Es ist viel eher eine offene Spielwiese, wo es halt irgendeinen Hintergrund geben muss für eine schicke Intro-Sequenz. Ich werde jetzt das politische Spiel spielen, und wenn dabei zufällig auch der Gott gestoppt wird, dann ists halt so.
Zu den guten Dingen: Interface ist aufgeräumt. Die Kämpfe sind besser geworden weil es drei wichtige Änderungen gab:
- (fast) alle Fähigkeiten sind in jedem Kampf verfügbar. Wie oft und nach welchem System sie verfügbar sind, hängt von der Klasse ab. D.h. der Wizard kann nicht 5min lang Feuerbälle werfen, aber er kann in jedem Kampf ein paar. Welche Spells man wann einsetzt, ist immernoch eine Entscheidung. Aber man kann in jedem Kampf sein volles Arsenal einsetzen.
- Es gibt keine Ausdauer mehr, die langsam über mehrere Kämpfe heruntergeht. Überlebt man einen Kampf oder dass ein Partymitglied umfällt, ist man danach wieder so gut wie vorher. Lagerfeuer braucht es nur noch um Wunden zu heilen (die gibt es, wenn der Char im Kampf ausgeknockt wird). Das macht das ausruhen deutlich seltener und besser integriert. Ich mag mich lieber mal sammeln um Wunden nach einem harten Kampf zu versorgen, als mich hinzusetzen um den Feuerball-Zähler wieder aufzufüllen.
- Da die Fähigkeiten pro Kampf sind, macht das die KI besser. Ist keine kritische Ressource mehr, also kann sie ruhig die Fähigkeiten einsetzen. Zudem (beste Änderung) gibt es einen Editor um die zu benutzenden Fähigkeiten selber zu “programmieren”. Mit ein wenig probieren macht mein Barbaren-Shapseshiftdruide jetzt in den meisten Fällen die richtige Reihenfolge an Fähigkeiten.
Leider ist das Kampfsystem grundsätzlich das alte geblieben. Im Vergleich zu Divinty 2 ist das realtime-pausible-System mir zu konfus. Bei dem rundenbasierten System hatte ich deutlich besser das Gefühl in jedem Kampf taktische Entscheidungen zu treffen und hatte gefühlt mehr Kontrolle welcher Char was macht. In Pillars ist das doch eher grenzwertig. Chars laufen nicht dort hin wo sie sollen. Fähigkeiten gehen mal schneller und mal langsam (je nachdem bei was man die Chars gerade unterbricht). Aoe-Effkte fliegen gerne mal daneben, weil die Gegner sich schon wieder weiterbewegt haben. Ein guter Teil des Kampfes ist für mich gegen die Spielmechanik und nicht gegen NPCs. Bei Divinity 2 hatte ich immer andersherum das Gefühl mit der Spielmechanik gegen NPCs zu kämpfen.
In pen&paper Sichtweise ist es bei Pillars eher ein durcheinander Geschrei von 5 Leuten und ein etwas überforderter Spielleiter der versucht alle Aktionen gleichzeitig abzuwickeln. Dabei geht gerne mal was schief, dafür ist es flüssig und es passiert viel. In Divinity ist es eher die hart strukturierte Runde, bei der jeder nur reden darf, wenn er dran ist und jeder Angriff minutiös in den Regeln geprüft wird, ob da auch alle Bedingungen erfüllt sind, ob und ob es nicht noch zusatz-Modifikationen gibt.
Außerhalb der Kämpfe gibt es viel positives zu berichten. Grafisch ist es toll, die Sprachausgabe lobe ich gerne ein zweites Mal. Es gibt mehr Zwischenevents die als kurze Texthappen mit Entscheidungen präsentiert werden. Es gibt genug bekanntes aus Pillars 1, was das durchspielen von Teil 1 rechtfertigt. Es gibt ein paar alten Bekannte als Begleiter, ich habe mich aber für eine neue Party entschieden. Da gibt es interessante Gestalten.
Von der Technik musste ich zwei Sachen machen: Steam-overlay ausschalten (vorher hat er Mausklicks häufig nicht registriert) und den neusten nvidia Treiber installieren (vorher gab es teils erhebliche Framerate Einbrüche, geht mittlerweile aber ganz gut). Die häufigen Ladebildschirme sind leider immernoch lang und ziemlich nervig (ich hab es aber gerade auch nicht auf einer SSD).
Die Optionenliste ist lang, so dass wohl sehr verschiedene Spielstile unterstützt werden. Ich mag ja gerne ohne Vorkenntnisse reingehen und ohne zuviel Spielmechanik-Hinweise bei meinen Entscheidungen. ‘Normale’ Schwierigkeit passt daher für mich, Hinweise warum ich welche Dialogoptionen habe, kann ich ausschalten. Es gibt dafür deutliche Hinweise welche Quests noch über meinem Level sind, und das auch für Gegner. Die bisherigen 2 mal neu laden und einen anderen Weg nehmen, weil ich in Gegner gelaufen bin, die deutlich über mir waren, kann ich direkt bei Kampfanfang besser vertragen, als wenn sie mich erst einmal verprügelt haben. Wer lieber nach der “optimalen” Lösung sucht, Chars optimiert und Stats austüftelt, dürfte in höhere Schwierigkeitsgrade und mit mehr Zusatzinformationen besser aufgehoben sein und auch damit Spaß haben. Und wer Kämpfe als buntes Feuerwerk versteht, hat noch 2 einfachere Gegnereinstellungen.
Fazit
nach den ersten Stunden: ist ein tolles Spiel, wenn man beschäftigt werden will. Spielt man ein crpg um aus seiner eigenen Perspektive die Motivation seines Chars in Hinblick auf die Hauptstory zu erkunden, steht es sich selbst im Weg und Tyranny ist das bessere Spiel. Will man taktische Kämpfe ist Divinity:OS 2 die bessere Wahl.
Mal sehen wie sehr ich mich auf das “beschäftigt werden” einlasse und ob die Mainstory nochmal Fahrt aufnimmt. Oder ob ich am Piratenleben Spaß finde und mir trampelnde Göttern egal sind.